Kolumne: Wie PNK ist unsere neue Ampelregierung? Was der Koalitionsvertrag für Einkäufer:innen bietet

Wir haben eine neue Regierung: Die Ampel ist da. Eine neue Legislaturperiode und eine Führung, die Dinge anders machen will. Das klingt schon mal enorm nach PNK! Lasst uns doch mal sehen, wie das im Detail zu verstehen ist. Wenn man sich die Interviews der Verhandlungsbeteiligten aus den ersten Tagen ansieht, erkennt man tatsächlich, dass da ein Team entstanden ist. Aus vermeintlich völlig unterschiedlichen Ausgangspositionen der parteipolitischen Leitlinien wurde ein hybrides Konzept der komplementären Werte aller Beteiligten. Alte Gegensätze wurden zu kombinierten Zielen entwickelt. Genau darum geht es so oft in Verhandlungen. Niemand weiß das besser als Einkäuferinnen und Einkäufer, die das jeden Tag erneut unter Beweis stellen. Es geht nicht um das gnadenlose Gewinnen GEGEN den Lieferanten, sondern um eine mehrwertschaffende Lösung mit einem Partner. Langfristigkeit und Vertrauen in den Lieferketten erreicht man nur durch ein aufrichtiges Miteinander. Das dies nicht immer leicht ist, hat keiner gesagt. Die Koalitionspartner nennen das „wir haben uns einiges zugemutet“. Gut so! Nur wer an die eigenen Schmerzgrenzen geht und diese auch offenlegen kann, ist ein Verhandlungspartner, der viel erreichen wird. Es geht um viel – um das Klima, den Wohlstand in der Gesellschaft und die soziale Gerechtigkeit. Es wurde in den Verhandlungen lange gestritten und diskutiert.

Dabei sind mir zwei Dinge besonders aufgefallen, die es lohnt hier zu erwähnen, weil wir davon lernen können.

Erstens: Absolut bemerkenswert ist das offene Kommunizieren der eigenen Gefühlswelten und Befindlichkeiten. Was macht das mit mir, wenn Du das zu mir sagst? Wie kommt das bei mir an, wenn ich diese Worte von Euch höre? Das ist eine ungemein wichtige Fähigkeit in der Konflikt-Kommunikation. Ganze Reihen von Büchern und Konzepten gibt es zu diesem Thema, wie zum Beispiel die Gewaltfreie Kommunikation (kurz GFK). Hier geht es auch um eine wertschätzende Beziehung und den gegenseitigen Respekt. Genau das ist es, was wir im Einkauf zu unseren Partnern (Lieferanten) pflegen müssen.

Zweitens und fast noch wichtiger: Robert Habeck hat immer wieder betont, dass es unglaublich nervenaufreibend war, wenn man sich gegenseitig stundenlang die bekannten und althergebrachten Standardplattitüden der parteipolitischen Linien um die Ohren gehauen hat. „Das sagt Ihr doch immer und habt es seit 20 Jahren nicht verstanden“. Die Positionen waren fix und klar. Nichts hat sich bewegt. Keine Einsicht bei der jeweiligen Gegenseite. Erst als öffnende Fragen nach dem warum (WHY) dahinterkamen, kamen neue Sichtweisen und Verständnisprozesse in Gang. „Ach so, deswegen sagt Ihr das immer – das ist also Eure Sorge, Euer Beweggrund“. Erst die Frage nach dem tieferen Grund und das ehrliche Interesse es besser verstehen zu wollen hat Türen geöffnet für völlig neue Verhandlungsoptionen. Plötzlich konnten in den Verhandlungen ganz andere Punkte in die Waagschale des Gebens und Nehmens gelegt werden.

„Staatliches Handeln soll schneller und effektiver werden“ – schon wieder PNK! Der neue Koalitionsvertrag hat einiges für den Einkauf zu bieten, wenn man mal genau nachliest. Es geht im Kern um die Komplexitätsreduzierung bei öffentlichen Vergaben, der Fokussierung auf Nachhaltigkeit und der konsequenten Nutzung der Digitalisierung. >>> einfach – gesund – modern <<< Ganz ehrlich, dass könnte ein „new deal“ für moderne Einkaufsabteilungen sein. Wenn wir es schaffen unsere Werte und Prozesse so zu verändern, dass wir diese drei Begriffe dran schreiben können, dann können wir stolz sein im Einkauf zu arbeiten. Die angemahnte Effektivitätssteigerung ist nur durch eine mutige Haltung der handelnden Personen und die konkrete Nutzung der Digitalisierung erreichbar. Jeder im Einkauf sollte diese zwei Säulen verinnerlich. Wo kann ich mutig digitalisieren?

Generell ist zu erkennen, dass Krisen das neue Normal werden und unsere Fähigkeit wachsen muss, darauf zu reagieren oder im deutlich besseren Fall, sogar vorbereitet zu sein. Das ist der proaktive Gedanke, den wir stärken sollten. Wir brauchen eine neue Sensitivität mit dem Umgang der Signale um uns herum. Es ist nicht so, dass es keine geben würde, vielmehr sind wir träge geworden Signale zu lesen und zu erkennen oder gar daraus unsere Schlussfolgerungen zu ziehen. Lasst uns suchen nach den Möglichkeiten frühzeitig die Daten und deren Potential auszulesen. Der moderne Einkauf braucht mehr Analysefähigkeiten als Frühindikatoren von risikobehafteten Veränderungen.

Solche Papiere wie der Koalitionsvertrag tragen immer einen Spagat in sich, globale Formulierungen zu finden, die aber konkret genug bleiben, um die Umsetzbarkeit anzugehen und voranzutreiben. Dieses Dokument ist keine Ausnahme, aber die Haltung hinter den Begriffen ist spürbar. Es geht um eine andere neue Art des Handelns und der Verantwortung. Genau davon können wir Einkäufer:innen lernen. Es geht generell um das Lernen. Lernen gemeinsam besser zu sein als allein, lernen Strömungen aufzunehmen und zu adaptieren, lernen zuzuhören was Klienten wollen und worum es Ihnen wirklich geht, lernen was der eigene Mehrwert im Gesamtprozess sein kann, lernen sich permanent zu optimieren und zu analysieren, lernen ein verlässlicher Partner zu sein. Es geht um das Vertrauen in eine Einkaufsabteilung.

Die Wirtschaftswoche bietet den Koalitionsvertrag hier zum Download an: Lest gerne die Passagen, die für den Einkauf spannend sind, selbst nach. Vor allem: Seite 34 und Seite 147.

Stephan Chassaing de Bourdeille

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Proud to share: Wieso Leadership und Haltung immer relevant bleiben?

Sehr viel. Es geht um die Frage, welche Haltung der Einkauf im Unternehmenskontext einnehmen kann. Und wie er seine Rolle als Leadership Department ausfüllen will.

Wenn er es will! Denn Management allein ist noch kein Leadership.

Im Kern geht es um eine persönliche Haltung zu Dingen. VW hat keine Haltung im Dieselskandal. Genauswenig hat Facebook eine Haltung zum Datenschutz. Welche Stellung möchte man also als Einkauf einnehmen? Welche Wertschätzung will man erreichen?

Die digitale Revolution besteht im Grunde aus drei entscheidenden Parametern. Aus der Technologie, den Daten und dem Menschen selbst.

Im Grunde sind das wichtigste dabei noch nicht einmal die Technologien oder die neuen enormen Datenmengen, sondern eine soziale und kulturelle Veränderung der handelnden Personen.

Entscheidend für den Erfolg der Digitalisierung und aller damit einhergehenden Veränderungen ist eine neue Wahrnehmung durch Entscheider.

Brachten die weit verbreiteten und tief erlernten Management-Methoden der 80er und 90er doch vor allem Manager hervor, der Aufgabe darin bestand, den Status-Quo zu halten und im besten Falle evolutionär stetig zu optimieren. Letzteres aber auch nur, wenn dabei keine Risiken drohten und man selbst als Führungskraft unbeschadet blieb. Im Kern birgt das die große Gefahr des „disconnected“ sein – weder connected zu neuen Innovationen oder dem schnellen Markt oder sogar seinen eigenen Mitarbeitern im besten Falle gerade zur nächst höheren direkten Instanz.

Management ist noch kein Leadership.

In jedem Falle blockieren alte hierarchie-orientierte Führungsstrukturen Innovation. Der Einkauf als Abteilung wird keine disruptiven Optimierungen erfahren, wenn nicht geeignete Persönlichkeiten als Vorstand oder mittleres Management eingesetzt werden. Disruptive Innovationen sind Fremdkörper in alt hergebrachten Strukturen.

Hier liegt ein erster massiver Unterschied zu einer Führungskultur im Silicon Valley. Kein deutscher Manager riskiert etwas, weil sein Bauchgefühl ihm dazu geraten hat.

Je größer eine Organisation wird, desto geringer ist die Bereitschaft von Führungskräften tatsächlich Entscheidungen zu treffen. Stattdessen werden immer wieder Prüfungen in Auftrag gegeben, Meinungen eingeholt, andere Fachbereiche involviert, sich abgesichert und am Ende dann doch erst mal noch nicht entschieden. Verwalten geht viel zu oft über gestalten.

Ungleich schwerer tun sich dagegen innovative, kreative und veränderungsbereite Menschen in solchen Strukturen. Im Grunde genommen stören sie nur. Ein echtes Durchdringen oder Hinterfragen ihrer Ideen findet mangels Zeit oder Wille zur Veränderung nicht statt. Gewollte und geplante Veränderungen von innen heraus wird es so schnell in Deutschland nicht geben.

Anders sieht das natürlich aus, wenn der Markt sich sprunghaft verändert. Neue Player sind plötzlich da, dann muss hektisch und oft teuer reagiert werden.

Im Silicon Valley sind die ständig hinterfragenden, neugierigen und ich-mach-das-jetzt-mal Mitarbeiter sehr gefragt. Hierarchien spielen hier keine Rolle. Vielmehr sind bereichsübergreifende Teams, heterogene Aufgabengebiete und freie Ideenfindung gewollt.

Natürlich erfordert das auch Führung! Man sollte nicht denken, dass in modernen Strukturen ein nettes Bio-Kaffeegespräch und cool wirkende Interieurs ein planvolles Vorgehen ersetzt haben. Bist Du als Führungskraft stark genug kreative und „unartige“ Köpfe auszuhalten oder gar zu nutzen für mehr Freiraum und Vision?

Innovation entsteht durch Freiräume, nicht durch zur Schau gestellten Aktionismus.

Digitale Leader müssen über den eigenen Tellerrand schauen können und das auch wollen! Die Inspiration aus anderen Branchen, anderen Abteilungen, anderen Menschen überhaupt ist ein Kernelement der aktuellen digitalen Revolution und Kernelement von Führung. Man muss nicht alles völlig neu erfinden, sondern ganz oft sind neue Kombinationen von bereits andernorts gestalteten Innovationen sinnstiftend und führen zu völlig neuen Wertbeiträgen für den eigenen Wirkungskreis. Digitale Leader suchen die Veränderung des eigenen Wirkungskreises und gehen auf den Antworten nach dem „WHY“ offenen Auges durch die Welt. Der Erfolg einer Führungskraft hängt künftig entscheidend von der Fähigkeit ab zu adaptieren.

Der CPO (Chief Procurement Officer) wird zum CCM (Chief Collaboration Manager).

Moderne Führung hat viele Hüte auf und alleine die Kenntnis über die Einflussfaktoren erhöht enorm die Chance sie auch zu nutzen. Navigiere mit Haltung und tiefster innerer Überzeugung zu unbekannten Zielen, manage Aufgaben und Prozesse meisterhaft und flexibel, gestalte mutig und entschieden neue Strukturen und agiere mit Vertrauen. Nur das gibt die nötige Schubkraft als Vorbild für den erfolgreichen Aufbruch in die Digitalisierung. Mach den Unterschied!

Also: Just do it – einfach mal machen: Excecution is king – Sei ein moderner Leader – oder tausche Deine Manager aus!

Stephan Chassaing de Bourdeille

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Proud to share: Wo setzen Startups in meinem Workflow an?

Alle, die die erste Frage Soll ich mit einem Startup zusammenarbeiten? bereits mit einem Ja beantwortet haben, kommen schnell zur zweiten Weiche: Wo setze ich ein Startup in meinem Workflow ein?

Nimmt man als eine Metrik für den Prozess einer Einkaufsaktivität die Customer Journey, hat jeder die Möglichkeit nach fünf Phasen einen echten Bedarf zu identifizieren: In welcher von fünf Phasen habe ich in meinem Bereich die drängendsten Probleme oder Schmerzen? Wo drückt der prozessuale Schuh schon lange oder was würde uns einen echten Wettbewerbsvorteil bringen? Sei es bei unseren internen Klienten oder als Unternehmen insgesamt.

Diese Frage habe ich Procurement Leadern, CPOs und digitalen Veränderungswilligen (PNKs!) gestellt. Die Antwort ist eindeutig ausgefallen und hat auch mich in ihrer Deutlichkeit überrascht. Die große Mehrheit wünscht sich, eine stärkere Rolle im Anbahnungsprozess zu internen Abteilungen und Stakeholdern. Einkäufer wollen früher eingebunden werden.

Denn: Nur wenn Einkäufer es schaffen, sich nicht mehr (nur) als Bestellabteilung zu sehen, sondern als Berater und Partner auf Augenhöhe, werden sie in den frühen Phasen von Kaufentscheidungen Mehrwerte stiften können. Nutzt den Wow-Effekt und stärkt Eure Position durch Kooperationen mit Startups in diesem Bereich.

Je mehr interne Klienten vom Einkauf wollen, desto höher ist die Bereitschaft auf die Qualität dieses Services zu warten. Basisleistungen sollten allerdings auch sehr schnell und effektiv, wenn nicht sogar automatisiert funktionieren. Ganz besonders gute Einkaufsorganisationen bieten interne Trainings an und machen dadurch neugierig auf mehr. Manche schaffen es sogar, dass weitreichende Unternehmensentscheidungen nicht ohne eine Beurteilung des Einkaufs getroffen werden. Die Inhalte dieser fünf Pakete richtet sich immer individuell nach dem konkreten Unternehmen.

Stephan Chassaing de Bourdeille

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PNKs im Gespräch: Warum wir entlernen müssen und was Hotelportiers mit innovativem Einkauf zu tun haben? Roman Miserre von Burda.

Burdas Procurement-Crew: Stephan (2. von links) mit dem Team von Roman Miserre (2. von rechts)

Q// Inwiefern ist eine digitale Transformation im Procurement eine Frage der Haltung und was bedeutet das für Dich?

A// Ob es mich als Einkauf in der Digitalisierung zerreißt, ist zu 78 Prozent, vielleicht sogar 83 Prozent eine Frage der Haltung und des Erlernens neuer Kompetenzen. Wenn wir nicht exzellent darin werden, Beziehungen zu managen, Veränderungen zu organisieren oder aus Daten entscheidungsrelevante Stories zu bauen, werden wir vom Kollegen KI schneller weggewischt als wir relevanter Einkauf auch nur buchstabieren können.

Q// Wo und wie fängst Du in Deiner Abteilung konkret mit der Veränderung an? Welche Prozesse oder Strukturen werden zuerst digitalisiert – oder fallen künftig sogar weg?

A// Für uns bei BurdaProcurement hat die Digitalisierung zwei Handlungsstränge: Den ersten kann man „How to implement procurement excellence“ nennen, also: Wie entrümple und “elektrifiziere“ ich unsere Prozesse. Diese Hausaufgabe kennt jeder Einkauf und muss jeder Einkauf angehen. Der zweite Strang ist aber viel relevanter, nennen wir ihn “how to discover mindset excellence”, also: Wie finde und entwickle ich die richtigen Personen mit der richtigen Haltung. Dieses Thema habe ich nicht nur ins Zentrum unserer Transformation gestellt, sondern an deren Anfang. Wir müssen im Kern ernstnehmen: Digitale Transformation ist kein IT-Projekt, sondern zuvorderst ein Change-Projekt im Peoplemanagement.

Dr. Roman Miserre…

… ist promovierter Jurist und Geschäftsführer der Burda Procurement GmbH, der Einkaufstochter von Hubert Burda Media. Roman arbeitet seit über zehn Jahren in unterschiedlichen Führungspositionen im Unternehmen und dessen Töchtern – als Justiziar, Personal- oder Finanzchef und Geschäftsführer.

Q// Auf welche Widerstände triffst Du mit den Veränderungen im Team und wie gehst Du damit um?

A// Seit 15 Jahren begleite ich Organisationen in ihrer Transformation, egal ob als CFO, Leiter HR oder jetzt CPO: die dabei auftretenden Widerstände waren im Kern erstaunlich ähnlich – egal ob es sich um ein digitales Unternehmen oder einen operativen Einkauf handelt. Jedes Team geht durch die gleichen Change-Täler der Skepsis, Unsicherheit und Unwillen. Wie man damit konkret umgeht, findet sich in jedem anständigen Changemanagement-Buch. Wir haben hier keinen Mangel an Wissen, sondern nur an Umsetzung, erneut: In Zeiten der Digitalisierung ist Changemanagement DIE zentrale Aufgabe eines CPO.

Q// Lässt sich dem Procurement ein „Storytelling“ andienen, das dem Thema sowohl auf der Einkaufsseite, als auch in der Argumentation mit der Konzernleitung nutzt?

A// Ja, allein schon die Frage liebe ich: Storytelling ist einer der Schlüssel zur Relevanz. Wir als Einkauf geben uns bislang kaum Mühe, dem Fachbereich aus den uns vorliegenden Fakten eine analytisch sortierte Geschichte erzählen zu können, die ihm Orientierung, Sicherheit und Handlungsanweisung vermittelt. Wir werfen unserem internen “Kunden” vielmehr eingesammelte Fakten über den Zaun und schütteln genervt den Kopf, wenn er damit mal wieder nichts anfängt. Wenn wir hier nicht besser werden, lassen wir die größte Chance der Digitalisierung ungenützt, da wir als Procurement zunehmend Owner von Terabyte von unternehmensrelevanten Daten werden.

Es ist im Endeffekt ja sehr einfach: Du bist als Einkäufer nur so erfolgreich, wie es dir gelingt, andere vom Mehrwert deiner Ideen zu überzeugen. Wir bei BurdaProcurement trainieren daher regelmäßig, und damit meine ich fast wöchentlich, gemeinsam im Team Data Driven Storytelling im Rahmen von Dry Runs. Und weißt du was: Mittlerweile macht das allen richtig Spaß. Diese trainierte Fähigkeit kannst du im Übrigen auch bei deinen Kindern oder deinem Partner effektvoll zum Einsatz bringen.

Q// Wo steht die Branche und in welchen Teilbereichen besteht der dringendste Restrukturierungs-/Transformationsbedarf und warum?

A// Über die Hälfte der Umsätze von Hubert Burda Media kommen mittlerweile aus dem Digitalbereich. Der Einkauf von schwer spezifizierbaren Cloud-Leistungen, aber auch das Aufspüren neuer Start-ups, verändert die Rolle und die internen Prozesse von uns Einkäufern grundlegend. Procurement muss der Informations-Hub für “supplier enabled innovation” werden. Das ist das zukünftige Spielfeld von Relevanz.

Q// Siehst du in eurer Branche, Deinem ganz speziellen Marktumfeld Besonderheiten hinsichtlich der digitalen Transformation im Procurement?

A// Da sind wir beim Pudels Kern: was ist meine Branche? Hubert Burda Media ist von Tiefdruck über Verlage bis hin zu E-Commerce engagiert. Wir als Spendmanager stehen damit vor der Aufgabe, dutzende – in Benutzeroberfläche und Bedarf – völlig unterschiedliche Klienten mit den jeweils richtigen Mehrwerten zu bedienen. Dieser Umstand alleine beinhaltet schon einen hohen Transformationsbedarf im Mind- und Skillset. Eine Fokussierung auf Effizienz alleine würde uns hier nicht weit bringen.

Q// Wie stehst Du zu der These, dass der Einkauf künftig als „Brand“, also als Marke eines Unternehmens geführt werden muss?

A// Wir haben bei uns im Flur vor einiger Zeit den Golden Circle von Simon Sinek an die Wand gebastelt. Danach haben wir gewartet, mit welchen Post-its die Kollegen unser “Why”, “How” und “What” ausfüllen. Zur Zeit steht im Zentrum des “Why”: “We develop BurdaProcurement as Love Brand for our clients.” Ich finde dieses WHY schlichtweg großartig: Ein Einkauf braucht eine für den Klienten erkennbare Handschrift, damit der Klient uns gerne einbindet. Und der Klient soll durch anhaltende WOW-Projekte ein wirklicher Fan unserer Abteilung werden. Wir messen dies für alle sichtbar konstant durch NPS-Umfragen.

Als Einkaufswelt sind wir erstaunlich lange und unfallfrei mit der Haltung durch den Alltag gekommen, eine saubere Richtlinie und effiziente Prozesse reichen für das Buy-in der Fachbereiche. Diese Zeiten – wenn es sie denn gab – sind meiner Ansicht nach vorbei. Daher: Etabliere Procurement als Love Brand in deinem Haus.

Q// Wie verändern sich dadurch die Rollen und welchen Typus Mitarbeiter oder Führungskraft erfordert die digitale Transformation im Einkauf künftig aus Deiner Sicht? Und welche Erwartung stellst Du in Zukunft an Aus- und Weiterbildung und an Einsteiger?

A// Um mal mit Schlagworten um mich zu werfen: Aus fachlichen Einkaufsleitern werden Orientierung gebende Change-Kapitäne, aus effizienten Prozessabwicklern werden agile Spend- und Beziehungsmanager. Die meisten würden mir bei diesen Bullshit-Bingo-Überschriften zustimmen. Sie sind ja auch richtig. Unser aller Problem ist nur, dass wir dies in unserer Procurement Welt noch schwer vom Kopf auf die Füße bekommen! Schaue dir einfach mal Weiterbildungsbroschüren für Einkäufer aus dem Jahr 2019 an: in Ziffer 1-8 fachliche Themen, wie Warengruppenstrategien, dann am Ende – kurz vorm Impressum – in Ziffer 9: “Soft Skills”, wie interpersonelle Kompetenzen. Wir müssen begreifen, dass diese “Soft Skills” am Ende der Broschüre kein nice-to-have HR-Beiwerk sind. Sie beinhalten unsere zukünftigen Kernkompetenzen und gehören damit an den Anfang unserer Transformation. Es sind Fähigkeiten, in denen wir als Einkäufer zudem – vorsichtig ausgedrückt – beängstigend untertrainiert sind.

Q// Welches Unternehmen hat aus Deiner Sicht bisher überhaupt innovative Ideen für das Procurement umgesetzt?

A// Ich kenne viele innovative Einkaufsabteilungen und liebe den Austausch mit ihnen. Die oft noch größere Inspiration bekommt man aber, wenn man weiter über den Tellerrand hinaussieht. Wenn ich mich etwa mit “Service Excellence” beschäftige, schaue ich lieber zu einem Gespräch bei einem Portier eines Luxushotels vorbei als bei einem Einkauf.

Q// Letzte Frage: Was macht einen Procurement Punk aus?

A// Ich bleibe beim Kern unseres Gesprächs: Ein CPO wird am schnellsten dadurch zum Punk, wenn er in der anstehenden Disruption die Themen Leadership und Changemanagement als seine beiden zentralen Aufgaben erkennt. Hierzu müssen wir als Einkaufsleiter viel an Sicherheiten hinter uns lassen, etwa die Sicherheiten, wenn wir uns auf das Fachliche oder unsere Prozesse konzentrieren. Genau diese Parameter sind aber zu einem gewissen Stück das Narrativ, weshalb wir mal Einkäufer wurden. Hier zu “entlernen”, das macht einen Procurement Punk aus dir.

Interview: Stephan Chassing de Bourdeille

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PNKs im Gespräch: Warum Einkäufer bessere Scouts werden müssen? Sebastian Voigt von Hy!

Der digitale Wandel erfasst die B2B-Welt, und deshalb weckt Corporate Procurement das Interesse von hy-Manager Sebastian Voigt. Er warnt: Als Innovationstreiber fallen Einkäufer oft aus. Sie müssen bessere Scouts werden in den Märkten, die für ihre Fachabteilungen relevant sind. Genau da will Voigt anpacken – und lädt die Einkäufer in unserem Podcast mit Stephan demonstrativ an den Tisch.

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