Jan Grothe ist Chief Procurement Officer der Deutschen Bahn
Talk mit Jan Grothe, CPO der Deutschen Bahn. Er kam vor 20 Jahren ins Unternehmen, um dort die E-Procurement-Systeme aufzubauen. Dass er solange geblieben ist, liegt vor allem daran, dass er viele Freiheiten für neue Denk- und Arbeitsprozesse genießt. Einfach schnell ins Machen kommen, lautet seine Devise. Er sieht die Einkaufslandschaft im massiven Umbruch, weil immer mehr Digital-Skills notwendig werden und gleichzeitig die Analyse der Kunden- und Lieferantenkette immer wichtiger wird.
Q// Welche Veränderungen hast du beim Procurement der Bahn vorgenommen und wie sieht der Prozess auf lange Sicht aus?
A// Ich habe erstmal mit allen wichtigen Stakeholdern gesprochen und gefragt: Wie sehen Sie uns und wie sehen Sie den Fortschritt? Daraus haben wir dann ein Zielbild abgeleitet, wo wir 2025 hinwollen und was generell unsere strategischen Themen sind. Zunächst zu einem ganzheitlichen Werttreiber zu werden, Stichwort „beyond savings“ und co. Das alles haben wir in drei Säulen gepackt. Ganz spannend ist hier etwa das, was wir intuitive Beschaffung nennen: Für jeden Lieferanten ohne Hürden leicht ansprechbar zu sein, alle Daten transparent auszutauschen, Einblick in die Produktionssysteme zu geben. Worum geht es also im Kern: Wie stelle ich die 1300 Menschen in unserem Unternehmen so auf, dass wir in Zukunft flexibler agieren, auch entlang der sich ändernden Märkte und Anforderungen. Wir wollen einfach flexibler innerhalb der Kundenbedürfnisse werden.
Q// Wo liegen die größten Herausforderungen und vielleicht auch Fallstricke?
A// Da geht es auch bei uns ganz banal darum, welche Investitionen in Digitalisierung wir tätigen. Oder wie wir die Effizienz steigern, um Ressourcen freizuspielen für strategische Themen. Und dass wir nicht jedes Einzelthema gleich bis in die Perfektion konfektionieren wollen, sondern einfach mal ins Machen kommen, auch mal das Unperfekte denken. Also sinngemäß: Lass uns bei 80 Prozent anfangen, in Inkrementen denken, das jeweilige Thema weiterentwickeln.
Q// Welche Themen spielen künftig eine besondere Rolle im Procurement allgemein?
A// Sicher besonders die Nachhaltigkeit. Die wollen wir auf ein hohes Niveau heben, schließlich haben wir mit unserem Sourcing-Anteil von 20 Milliarden am Markt einen ganz wesentlichen Einfluss auf das Klima. Das wird aber nicht erfolgreich sein, wenn wir es über die Lieferkette nicht konsequent umsetzen.
Q// Wie müssen sich die Skills der Einkäufer verändern?
A// Das ist ein hochspannendes Thema, für das wir gerade ein neues Programm aufgesetzt haben. Dringend erforderlich werden künftig Digital-Skills sein: analytisch sein, welchen Content die User in den Geschäftsunits brauchen und wie sie in der Logik vom Bedarf bis zur Rechnung denken. Es geht weniger darum, dass jeder alles kann und der beste Analytiker wird, sondern darum, dass ich wissen muss, was ich machen kann. Was es an Möglichkeiten gibt bei Forecast-Modellen etc. Und vor allem: Wie arbeiten wir eigentlich zusammen! Da investieren wir sehr stark in Beratungs- und Lösungskompetenzen. Den Einkäufer als Bestellschreiber von früher gibt es einfach nicht mehr, wir haben einen hohen Automatisierungsanteil im Massengeschäft und schaufeln somit Ressourcen fürs Beratungsgeschäft frei.
Q// Wer ist Jan Grothe und was macht ihn zum Punk?
A// Ich war vorher selbständiger Berater und kam zur Bahn, um dort die E-Systeme aufzubauen. Eigentlich hatte ich dafür so zwei Jahre eingeplant, mittlerweile bin ich seit 20 Jahren hier. Für mich war das immer eine hochspannende Aufgabe, für die hundert Gesellschaften der Bahn die E-Procurement-Systeme aufzubauen. Was mich so lange hat bleiben lassen, war die Möglichkeit, extrem viel zu machen. Zuhören, Schlüsse ziehen und dann ins Machen kommen. Ich habe hier auch eine Initiative mitgegründet, wo es darum geht, Dinge zu hinterfragen, Dinge anders zu tun, Ideen schnell zu verknüpfen. Das hat mich begleitet, ohne dass ich mich selbst in irgendeiner Form verbiegen musste. Hat riesig Spaß gemacht bis jetzt. Meine anarchische Facette ist vielleicht ganz einfach die, dass ich gerne Entscheidungen treffe und im Zweifelsfall lieber hinterher um Entschuldigung bitte, wenn es nicht geklappt hat – anstatt dadurch coole Dinge zu versäumen, von denen ich total überzeugt war.
Interview: Stephan Chassing de Bourdeille. Ausschnitte haben wir als Audio-Mitschnitte bei Soundcloud bereitgestellt.