Susanne Vorberg, Airbus
Susanne Vorberg verantwortet als Teil des Digital Transformation Office Procurement die digitale Transformation im strategischen Einkauf bei Airbus.Sie verfügt über mehr als 20 Jahre Berufserfahrung in verschiedenen Unternehmen in den Bereichen Consulting, eCommerce, Procurement und Supply Chain. Die Basis für ihren beruflichen Werdegang legte sie in ihrer Ausbildung als Diplom-Wirtschaftsingenieurin. In einem multikulturellen Umfeld, zusammengesetzt aus Lieferanten und Teams weltweit, konnte sie ihr fundiertes technisches und betriebswirtschaftliches Wissen über die Jahre hinweg vertiefen. Berufsbegleitende Weiterbildung in den Bereichen Lean & Six Sigma, Design Thinking, UX und Coaching ergänzen dieses Profil um wichtige Bausteine auf dem Weg zum Digital Transformation Leader. Im Jahr 2016 wurde sie für ihre jetzige Aufgabe als Digital Transformation Leader Procurement vorgeschlagen – eine Chance in der digitalen Airbus-Community die Zukunft des Einkaufs federführend zu gestalten. Dabei verbindet sie alle Aspekte, die maßgeblich die Digitalisierung beeinflussen: Neue Technologien, agile Arbeitsweisen und disruptive Ansätze.
Q// Inwiefern ist eine digitale Transformation im Procurement eine Frage der Haltung und was bedeutet das für Dich?
A// Digitale Transformation fundiert auf einer offenen Haltung und Bereitschaft sich den Veränderungen zu stellen. Bei uns ist es eine Mischung aus Top down und Bottom Up – das Management hat verstanden, dass wir uns verändern müssen, scheint aber nicht immer zu wissen wie – und die Mitarbeiter – zumindest viele – wollen und fordern Veränderung.
Q// Digitalisierung bedeutet Veränderung. Wo und wie fängst Du in Deiner Abteilung damit konkret an? Welche Prozesse oder Strukturen werden zuerst digitalisiert – oder fallen künftig sogar weg?
A// Wir haben uns intensiv mit allen Bereichen unterhalten, Workshops gemacht und gefragt, gefragt, gefragt: Was sind die Pain Points? Was funktioniert nicht? Was könnte anders sein? – und haben darauf basierend unsere Roadmap aufgesetzt, die sich kontinuierlich anpasst. Nach einigen Proof of Concepts und Trials haben wir dann bei zwei Prozessen – Verträge und Lieferantenmanagement – gestoppt und verändern dort jetzt Prozess, Tools und Arbeitsweisen. So arbeiten wir uns durch die Procurementwelt.
Q// Auf welche Widerstände triffst Du mit den Veränderungen im Team und wie gehst Du damit um?
A// Angst, Kontrollverlust, Positionsverlust, sich verändern, neues lernen müssen, Daily Business. Wie gehe ich damit um: Mit Geduld, Lunch-Verabredungen, indem wir Fakten schaffen mit Minimum Viable Products (MVP) und Proofs of Concept (PoC). Und indem wir das Management überzeugen, Kollegen involvieren, Digital Coaches und Ambassadors einbinden – und jetzt eben die Punk Rocker wie Dich. Ach, und ab und zu muss man Dinge auch mal ignorieren.
Q// Lässt sich dem Procurement ein „Storytelling“ andienen, das sowohl dem Einkauf selbst, als auch in der Argumentation mit der Konzernleitung nutzt?
A// Ja, davon bin ich bin fest überzeugt. Procurement kann sich nicht gut verkaufen, ist oft in der Rechtfertigung, fokussiert auf Cost Savings mehr als auf Zukunftsvisionen. Die Fähigkeit, Procurement gut zu platzieren und zu verkaufen, ist absolut wesentlich in der derzeitigen Phase der Transformation.
Q// Wo steht die Branche und in welchen Teilbereichen besteht der dringendste Restrukturierungs-/Transformationsbedarf?
A// Ich glaube, beim Mindset – und das durch alle Hierarchien. Transformation ist kein ‚Nice to have‘ sondern ein Must – das muss durch alle Ebenen verstanden werden. Die technischen Veränderungen, die Digitalisierung ist meines Erachtens gar nicht das große Problem – sondern der Mensch dahinter.
Q// Gibt es in Deiner Branche, Deinem ganz speziellen Marktumfeld Besonderheiten hinsichtlich der digitalen Transformation?
A// Ich denke die Besonderheit in meiner Branche besteht darin, dass wir uns in einem sehr eingeschliffenen Markt befinden. Es gibt wenig Veränderung, dafür aber große und dominante Key Player. Zudem wird erst wenig verstanden, wie die Business Modelle der Zukunft eigentlich aussehen, was wiederum den Einkauf maßgeblich beeinflusst! Die Prozesse heute sind sehr langsam – Agilität ist nicht gefordert, wird es aber in der Zukunft sein.
Q// Wie stehst Du zu der These, dass der Einkauf künftig als ‚Brand‘, also als Marke eines Unternehmens geführt werden muss? Spielen dabei Werte eine Rolle?
A// Ich finde die These wichtig und richtig: Bei uns liegen 80 Prozent der Wertschöpfungskette im Einkauf – und die wichtigsten Werte, wie Nachhaltigkeit, Compliance und die Entwicklung „grüner“ Produkte basierend auf einer transparenten Lieferkette, muss der Einkauf steuern.
Q// Wie verändern sich die Rollen und welchen Typus Mitarbeiter/Führungskraft erfordert die digitale Transformation im Einkauf künftig aus Deiner Sicht? Welche Erwartung stellst Du in Zukunft an Aus- und Weiterbildung und an Einsteiger?
A// Ich finde es im Moment noch recht schwierig, das zu konkretisieren – grundsätzlich müssen Mitarbeiter permanent weiterentwickeln und neugierig sein. Das klassische 9to5-Modell, 30 Jahre gleicher Arbeitsplatz, wird wohl bald nicht mehr existieren. Führungskräfte müssen lernen, im Netzwerk zu denken und zu agieren. Top down mit Steering Committees ist nicht agil – nicht schnell genug. Aus- und Weiterbildung ist der Schlüssel zum Erfolg dabei.
Q// Welches Unternehmen hat aus Deiner Sicht bisher überhaupt innovative Ideen für das Procurement umgesetzt? Welche konkreten Impulse hast Du daraus gewonnen, welche setzt Du selbst als nächstes konkret um?
A// Ich habe viele gute Beispiele in Unternehmen gesehen, z.B. bei Innogy, Lufthansa Technik, Porsche, Deutsche Post, Bosch – Impulse habe ich daraus verschiedentlich ziehen können! Sowohl für Projekte, also auch für Herangehensweisen und ganz besonders dazu, wie wichtig das Netzwerken ist.
Q// Ach so, ganz wichtig noch: Was macht einen Procurement Punk aus?
A// Das ‚neugierig sein‘, offen sein für Veränderung, bereit zu investieren, bereit Ängste abzubauen. Einer wie Du und ich, der Spaß beim Arbeiten haben möchte und mitgestalten.
Interview: Stephan Chassaing de Bourdeille